Schulden
Von besonderer Bedeutung für die Handlungsfähigkeit von Staaten ist die Staatsverschuldung. Das gilt um so mehr in Folge der großen Krisen der letzten 20 Jahre allein, die Staatshaushalte auf der ganzen Welt enorm belastet haben. Am drängendsten ist aber die Frage, wie staatliche Kreditaufnahme in Zukunft nachhaltig ausgestaltet werden kann bzw. wie sie mit diesem Ziel umgebaut werden muss, für die Länder des Globalen Südens. Unter anderem die Einrichtung eines gleichberechtigten Staatsinsolvenzverfahrens, das auch private Gläubiger mit in die Pflicht nimmt, ist eines der großen Probleme der globalen Governance.
Vor dem Kollaps
Spardiktate durch IWF und Weltbank zwingen Länder wie Sri Lanka in die Knie. Der Globale Süden braucht einen Schuldenerlass.
Die Bilder gingen um die Welt: In Sri Lanka führten im vergangenen Jahr gravierende Engpässe bei Treibstoff- und Lebensmittelversorgung zu massiven Protesten, während derer das Büro und das Wohnhaus von Präsident Gotabaya Rajapaksa besetzt wurden. Mit dem Aufstand wurde zwar der Präsident aus dem Amt gejagt, aber die Proteste zielten nicht darauf ab, das bestehende autoritäre Präsidialsystem abzuschaffen und die ungerechte Wirtschaftsordnung zu ändern. Das weiterhin von Rajapaksa geführte Parlament wählte Ranil Wickremesinghe zum neuen Präsidenten, der seinerseits umgehend die Sicherheitskräfte einsetzte, um die Demonstrationen brutal niederzuschlagen. Aus ökonomischer Sicht waren derweil die seit fast 18 Monaten andauernden Austeritätsprogramme (auf Empfehlung des Internationalen Währungsfonds, IWF) und die anschließende Vereinbarung mit dem Fonds im März 2023 verheerend für die arbeitende Bevölkerung.
Die schlimmste globale Schuldenkrise aller Zeiten
Neue Daten von Debt Service Watch
Die derzeitigen Schuldenerlasse führen dazu, dass viele Länder die Hälfte ihres Budgets für den Schuldendienst aufwenden müssen. Bei 139 Kreditnehmern der Weltbank liegt der Schuldendienst über dem Niveau, das während der HIPC- und der lateinamerikanischen Schuldenkrisen erreicht wurde. Er entspricht vielerorts den Gesamtausgaben für Bildung, Gesundheit, Sozialschutz und Klimaanpassung zusammen und übersteigt diese Ausgaben in Afrika um die Hälfte. Ein weitaus umfassenderer Schuldenerlass und Maßnahmen zur Senkung der Kreditkosten sind unerlässlich, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.
Die Schuldentragfähigkeitsanalysen des IWF verstehen
Ein Toolkit für NGOs zur kritischen Auseinandersetzung mit dem IWF
Dieses Toolkit bietet eine Anleitung, wie man eine Schuldentragfähigkeitsanalyse liest und ihre Instrumente versteht, um sich kritisch mit dem IWF und Regierungsvertretern, die mit dem IWF über ein Finanzierungsprogramm verhandeln, auseinanderzusetzen.
Ein dringender Appell für Schulden-, Klima- und wirtschaftliche Gerechtigkeit
Überall auf der Welt kämpfen Menschen gegen die Auswirkungen multipler Krisen. In einer Zeit, in der sich die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen und die Lebensmittel- und Energiepreise spekulativ in die Höhe getrieben werden, reagieren die Regierungen, vor allem im Globalen Süden, auf die untragbaren öffentlichen Schulden und die fehlende Entwicklungs- und Klimafinanzierung mit einer zunehmenden Welle von Austerität, Unterwerfung und Extraktivismus. Wir prangern nachdrücklich die Rolle der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) an, die zusammen mit anderen privaten und öffentlichen Kreditgebern eine mangelhafte internationale Finanzarchitektur aufrechterhalten, welche die Schulden-, Klima- und Wirtschaftskrisen verschärft.
Comic-Buch: „Die Macht der 99%, um Vereinnahmung und Verschuldung durch Unternehmen zu stoppen“
Dieses Comicbuch, das während der BWI-Jahrestagung vorgestellt wurde, lädt die Leser:innen dazu ein, mehr über die globale Schuldenkrise und das Phänomen der Vereinnahmung durch Unternehmen als treibenden Faktor zu erfahren.
CSOs des globalen Südens fordern Gerechtigkeit und eine Änderung der Regeln für die Schulden- und Finanzarchitektur
Mehr als 70 Expert:innen und Aktivist:innen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, sozialen Bewegungen und Netzwerken aus der ganzen Welt kamen am 20. und 21. September 2023 in Bogota, Kolumbien, zu einem vom Globalen Süden einberufenen und geleiteten Treffen zusammen, um die Perspektive des Südens bei der Definition der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Verschuldung und der Finanzarchitektur hervorzuheben und Lösungen zu finden, die sich an den Bedürfnissen und Stimmen der am stärksten Betroffenen orientieren müssen: den Menschen im Globalen Süden.
50 Jahre des Versagens
Der IWF, Verschuldung und Austerität in Afrika
Der ActionAid-Bericht „Fifty Years of Failure: the IMF, Debt and Austerity in Africa“ basiert auf neuen Forschungsergebnissen und aussagekräftigen persönlichen Erfahrungsberichten aus zehn afrikanischen Ländern. Er erscheint zeitgleich mit der ersten IWF/Weltbank-Jahrestagung, die seit 50 Jahren in Afrika stattfindet. Der Bericht dokumentiert, wie der IWF eine Sparpolitik durchsetzt, die das Gesundheits- und Bildungswesen sowie die allgemeine Entwicklung auf dem gesamten Kontinent untergräbt. Anstatt nach systemischen Lösungen für die wachsende Schuldenkrise in Afrika zu suchen und offensichtliche Alternativen wie progressive Steuerreformen zu prüfen, setzt der IWF weiterhin Kürzungen der öffentlichen Ausgaben durch, die Frauen und benachteiligte Gruppen am stärksten treffen.
Marrakesch-Erklärung zur Beendigung der Austerität
Mehr als 300 zivilgesellschaftliche Organisationen und Akademiker:innen aus der ganzen Welt fordern Regierungen, Finanzministerien und internationale Finanzinstitutionen auf, die schädlichen Kürzungen der öffentlichen Haushalte in wichtigen Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Sozialschutz unverzüglich zu stoppen und schädliche Reformen wie die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und Sozialversicherungsrechte zu beenden, die die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verschärfen.
Entschuldungskurier 2023
Mit dem jährlichen Entschuldungskurier informiert erlassjahr.de über aktuelle Entwicklungen in der nationalen und internationalen Welt der Verschuldung, berichtet über die Aktivitäten des Bündnisses und lädt zu eigenem Engagement ein. In der diesjährigen Ausgabe geht es u.a. um die Kampagne „Mit Schulden fair verfahren!“; warum Klimagerechtigkeit faire Entschuldung braucht; Staateninsolvenzverfahren in Sicht? 70 Jahre Londoner Schuldenabkommen; erlassjahr.de beim Kirchentag in Nürnberg; Schuldenkrisen fairer und effizienter lösen – per Gesetz; und vieles mehr.
Schuldenerlass durch multilaterale Kreditgeber
Warum, wie und in welcher Höhe?
Während sich die Staatsschuldenkrise im Globalen Süden weiter ausbreitet, ist die mangelnde Beteiligung der multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs) an den Entschuldungsbemühungen zu einem Streitpunkt unter den wichtigsten Gläubigern geworden. Obwohl die Gruppe der 20 (G20) die multilateralen Entwicklungsbanken ausdrücklich aufgefordert hat, Optionen zu entwickeln, um die Last der Schuldenerleichterungsbemühungen zu teilen, haben die multilateralen Entwicklungsbanken bisher keinen konkreten und systematischen Plan vorgelegt, wie sie zu den Schuldenerleichterungsbemühungen für Länder beitragen können, die sich um den Common Framework der G20 bewerben.